Theater Lazarett – gestern

80 Minuten Eike Schmidt beim Spielen zuzusehen ist eine großartige Sache. Vieles erwacht zum Leben: die kleine Rathausfassade: dort leuchtet ein Fenster auf, wenn dahinter die Ratsherren darüber diskutieren, was es mit dem Meeresungeheuer auf sich hat; die Nautilus, die als Modell über dem Aquarium steht, in dem sich die Forscher, Haie und anderes Getier tummelt, das mit dem eingesammelten Grünzeug verspeist werden kann; die kleine Südseelandschaft mit Palmen und dem Vulkan, der sich öffnet und Einblicke preisgibt; schließlich die Eislandschaft, in der die gestrandete Mannschaft aufgibt und wieder zurück zur Nautilus stapft. Das Spielen mit den kleinen wunderbar neutralen Körpern, aber mit Charakterköpfen und Stimmen (von Eike Schmidt) findet auf der gesamten kleinen Bühnenfläche statt, unterstützt von Lichteffekten, begleitender Musik und einer Erzählerstimme.

Als ich wieder nachhause fuhr und darüber nachdachte, warum mich diese Vorführung so begeistert hat, verpasste ich in Gedanken versunken eine Abzweigung und war deshalb länger unterwegs. Rechts und links gab es Feuerwerk.

Gestern Abend im Theater Lazarett, Aurich:

Nach der Novelle von Theodor Storm.

Eike Schmidt spielt dieses Stück mit seinem Körper, seiner Stimme, mit kleinen Darstellern, die eigentlich nur aus Kopf und wechselnden Stoffstücken bestehen, mit Geräuschkulissen, mit Wind und Nebelfetzen, mit Schatten und Licht, mit weiteren Projektionen (keine Ahnung wie das funktioniert), er zeichnet mit Wasser auf eine Leinwand und es entsteht plötzlich eine Deichzeichnung, er stellt auf Plattdeutsch das Stimmengewirr in einer Kneipe oder einer öffentlichen Sitzung nach, wobei er die Stichler und Hetzer und die Wegducker ganz genau herausgearbeitet hat. Zum Schluß wälzt sich das Meer als Folie über Mann und Maus.

Diese Vorführung hat mich begeistert und ich bewundere die künstlerische Umsetzung dieser Novelle , die nur mit hohem Einsatz aller, die für dieses Theater arbeiten, so grandios gelingen kann.

Gestern in Aurich im Theater Lazarett „Fluten am Tag“, ein installatives und interaktives Theaterprojekt mit und von Eike Schmidt und Anna Renner

Ohne Schuhe laufen wir über Holzstege zum Strand und das Meer empfängt uns. Die Illusion, an einem freundlichen Tag am Meer zu sitzen und sich von den auflaufenden Wellen die nackten Füße lecken zu lassen, stellt sich ein. Eine dünne Folie wird bewegt, wird zur Welle, dann entstehen daraus Lebewesen. Den Freiraum, welche es sein könnten, bekommen die Zuschauerkinder gestellt. Ich selbst mußte bei den zusammengedrückten und geknüllten Figuren plötzlich an Alberto Giacometti denken. Den Gefahren, die von den plötzlich aufziehenden Wettern kommen, weichen wir in die „Bar“ aus. Dort können wir – als wären wir außerhalb eines Riesenaquariums-, dem Gezeitenwechsel und den vorbeisausenden Fischen zusehen. Das schlechte Wetter hat sich beruhigt und wir gehen vorsichtig zurück zum Strand, vorbei an einem brütenden Seevogel, der ein zu-nahe-Kommen überhaupt nicht mag. – Im Sand baut Eike Schmidt eine Versuchsanordnung auf: Tablett, 2 Teetassen, ein Stövchen, eine Kaffeekanne, Kluntjes, Sahne. Er wird nun versuchen zu klären, wohin das Wasser (der Tee) bei Ebbe verschwindet und trinkt dagegen an…..